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Rakonitzer Roller

Rakonitzer Roller

Häufig wird der Rakonitzer Roller bei uns in Westeuropa – weder auf Schauen noch im Flug – nicht gezeigt. Zeit, diese hübsche und äusserst angenehme Taubenrasse etwas näher vorzustellen.

In Deutschland und Frankreich beschäftigen sich seit mehr als zehn Jahren einige Züchter innerhalb der EFU mit den Rakonitzer Roller. Nach Reglement ist es üblich, Rassen die neu in den Flugwettbewerben mitmischen, vorerst in der sogenannten offenen Klasse zu fliegen. Eine Erfahrung, die sich durchaus bewährt, um nicht für jede «Eintagsfliege» ein Regelwerk erstellen zu müssen, was dann nach paar Jahren wieder verstaubt. Da sich die Rakonitzer zu etablieren scheinen, war es an der Zeit, sich Gedanken über eine Zuteilung in eine bestehende oder die Schaffung einer neuen Klasse zu machen.

Mit der Definition der Figuren werden nicht nur die Zuchtziele definiert und gefördert, sondern auch die Leistungen honoriert und mit Platzierungen an Wettbewerben ausgezeichnet.

Unter der Leitung von Peter Lhotsky wurde auf die EFU-Tagung 2019 der Antrag gestellt, die Rasse in die Purzlerklasse einzuteilen. Trotz Recherchen und Gesprächen im Vorfeld zogen wir den Antrag nach intensiver Diskussion zurück. Hauptgrund war, dass das Mutterland der Rasse sich für die Tagung entschuldigen lassen musste und somit ein entscheidender Faktor fehlte. Die Flugtaubenrassen sollen im Grundsatz so geflogen und gewertet werden, wie dies die Erzüchter der Rasse ursprünglich wollten. Somit war der Rückzug gerechtfertigt und gab uns Zeit, weitere Recherchen anzustellen und die Kontakte in die Tschechei zu intensivieren.

Peter Lhotsky lernte Jiří Jadrníček im August 19 an der Int. FK-Meisterschaft des KAH CS kennen und konnte dadurch eine wichtige Informationsquelle «anzapfen». Nach etlichen Mails etc. wurde dank Andrej Margetín ein Treffen mit Vertretern des Rakonitzer Roller Clubs aus Tschechien bei Jiří Jadrníček vereinbart. Peter Lhotsky und ich sind am Samstag 5. Oktober 2019 in der Früh nach Střítež nad Bečvou gefahren.

Freundlicherweise hat Andrej Margetín uns seine Unterstützung als Dolmetscher und Vertreter des KAH CS zugesagt und uns an diesem Treffen begleitet. Danke Andrej!

Kaum angekommen wurden wir schon mit einem köstlichen Gulasch verwöhnt und die kulinarische Verwöhnung ging den ganzen Nachmittag und Abend weiter. Danach besichtigten wir den Hof und Taubenschlag von Jiří Jadrníček. Jiří züchtet die Rakonitzer Roller seit über dreissig Jahren. Obwohl sein Augenmerk mehr auf die Ausstellungen gerichtet ist, waren wir überrascht, wie fleissig seine Rakonitzer Roller purzeln. Bei nassgrauem Wetter flogen die Tiere nicht zu lange, doch dies reichte aus, um das zu sehen, was wir unbedingt sehen wollten: Einfach- Doppel- und Mehrfachüberschläge!

Zwischenzeitlich waren die anderen Teilnehmer eingetroffen, verköstigt und so konnten wir uns intensiv rund um die Themen des Rakonitzer Rollers kümmern.

Thema Nr. 1 war die Bewertung. Dazu stellten wir den Spezialisten zuerst Mal das EFU-Wertungssystem vor und wie wir IHRE Rasse zu klassieren gedenken. In der Diskussion zeigte sich bald, dass Begriffe wie Rollen durch das Assoziieren mit einer bestimmten Rasse, wie zum Beispiel dem Birmingham Roller oder die Übersetzung in eine andere Sprache leicht missverstanden werden können. Da in der Runde zwei Züchter ihre Tauben auch wirklich fliegen und trainieren und zudem sehr gut Deutsch sprachen, kristallisierte sich bald heraus, dass der Rakonitzer Roller eben doch nicht ein reiner Purzler ist, sondern dass es auch Tauben gibt, welche 3 und mehr Überschläge zeigen.

Somit konnten wir das Figurenschema der Rakonitzer Roller wie folgt festhalten:

Einfachüberschlag = 1 Wertungspunkt

Doppelüberschlag = 1 Wertungspunkt

Mehrfachüberschlage (kurze Rolle) = 1 Wertungspunkt

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Figuren schnell und eng oder langsam und offen ausgeführt werden. Die Tiere sollen einen lebhaften Flug mit vielseitigem Spiel zeigen. Die Flüge finden in der Regel in unterer Höhe, meist in der Nähe des Schlages statt und dauern kaum länger als 30 Minuten. 1. Erfahrungen zeigten, dass gewisse Linien mit 8-12 Minuten gar deutlich tiefer liegen. Damit ist der Rakonitzer Roller für den Flugkasten wie geschaffen und findet bei den Zuschauern mit seinem herrlichen Flugbild sofort grosse Sympathie.

Thema Nr. 2 war uns vor Antritt der Reise schon bekannt, konnten es aber nicht einordnen, weil wir schlicht keine Erfahrung damit haben: die Farben und Zeichnungen!

Im Deutschen Rassetaubenstandard ist der Rakonitzer Roller «nur» in der Gansel-Zeichnung und den Farben Schwarz, Blau, Blaugehämmert, Silber, Rot und Gelb aufgeführt.

In Tschechien und der Slowakei wird der Rakonitzer aber in weiteren Farben und Zeichnungen gezüchtet, wie Einfarbig, Tiger, Weissschlag oder in der «Strasser-Zeichnung».

Für uns stellte sich die Aufgabe, welche Farben/-schläge lassen wir Flugtaubenzüchter zum Wettbewerb zu, um Rassereinheit etc. zu gewähren, weil für uns die Zeichnungsmerkmale ja eine untergeordnete Rolle spielen. Wir aber unterbinden möchten, dass Wettbewerbe durch Kreuzungstiere verfälscht werden.

Wir konnten in Erfahrung bringen, dass ausserhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebietes – der ehemaligen Tschechoslowakei – ausser den Ganseln, alle Farbvarianten keine Rolle spielen. Selbst von den Klubmitgliedern wurde das Verhältnis mit 90 zu 10 Prozent (Gansel zu Übrigen) angegeben.

Somit können wir mit gutem Gewissen festhalten, dass wir uns innerhalb der EFU vorerst auf die Definition gemäss deutschem Rassetaubenstandard, mit der Gansel-Zeichnung konzentrieren. Wobei bei den Farben schon mal ein Auge zugedrückt werden darf und zum Beispiel auch Tiere in Dun oder nicht ganz reinen Farben zu zulassen sind.

Interessant war für uns die Erfahrung, dass der farbigen Kopfplatte eine grosse Wichtigkeit beigemessen wird. Sehr breit im Ansatz, knapp den Augen entlang soll sie gut gerundet auf dem Hinterkopf enden. Beim Latz oder Schnitt von Brust zu Bauch ist man da wesentlich toleranter. Als Faustregel gilt bei der Tiefe des Latzes, dass er nicht tiefer sein soll, als die Schnabelspitze reicht, wenn die Taube den Kopf anlegen würde. Auch weisse Federn im Rücken oder Keil oder umgekehrt farbige Federn im After- oder Schenkelbereich werden eher toleriert.

Während der ganzen Zeit wurden wir fortlaufend mit weiteren Köstlichkeiten aus der Küche von Frau Jadrníček verwöhnt und konnten uns nach dem «geschäftlichen» Teil auf weitere Gespräche über Tauben, Land und Leute einlassen.

Wie immer bei solchen Treffen, verging die Zeit viel zu schnell und wir mussten uns von den neuen Freunden verabschieden, damit wir paar Stunden Schlaf kriegten, bevor die lange Rückreise angetreten werden musste.

Mag sein, dass man ein Spinner ist, wenn man Tauben wegen schnell ein Wochenende über 2000 Kilometer zurücklegt. Die gemachten Erfahrungen, die neu geknüpften Freundschaften machen dies aber mehr als wett und vielleicht konnten wir sogar von unserer Seite her ein paar Samenkörner streuen und die Leute aus Tschechien für den Flug sensibilisieren.

Im Gegensatz zu uns, ist die Freiflughaltung hier noch verbreiteter und wir können uns durchaus vorstellen, dass der eine oder andere Züchter Mal drei Tiere einem Wertungsrichter vorführt!

Nochmals einen grossen Dank an Familie Jadrníček für die großartige Gastfreundschaft.

Hinten von links: Peter Lhotsky, Christian Wingeier, Miroslav Zaňát, Jiří Jadrníček, Andrej Margetín

Vorne von links: Dušan Barcuch, Pavel Piše, Michal Martínkovič

Blick in den Innenhof des Anwesens der Familie Jadrníček. Ist eines der ältesten Häuser im Ort

Eine Gruppe Rakonitzer Roller geganselt schwarz von Jiří Jadrníček

Vom Fachmann wird erklärt, auf was es beim Rakonitzer Roller geganselt ankommt

Intensives Fachsimpeln unter Spezialisten und solchen, die es werden möchten

Da muss was in der Luft sein!

Ein Beitrag von Christian Wingeier

Wenn Tauben sprechen könnten

Am 17. Januar 2017 bekam ich von meiner Frau eine Kurznachricht, dass sich eine Frau gemeldet hat, wegen einer zugeflogenen Taube.

Ich hatte in den letzten Tagen keine Verluste und konnte mir nicht recht vorstellen, dass es ein Tier von mir ist. Ein Rückruf ergab, dass es sich tatsächlich um eine Taube aus meinem Bestand handelt. Doch zuerst musste ich mir erklären lassen, wo genau Matzwil auf der Landkarte liegt (Gemeinde Detligen, neben Frieswil).

Da die Taube noch nicht gefangen werden konnte und der Tag fortgeschritten war, einigte ich mich mit der Anruferin auf den Folgetag und dass sie die Taube nicht mehr füttern soll.

Mit einem kurzen Anruf versicherte ich mich, dass die Taube die kalte Nacht überstanden und immer noch auf dem Fenstersims sitzt. Jetzt Flugkasten (FK) und Dropper einpacken und los. Knapp 50 Kilometer später fand ich eine müde Wammen-Täubin vor. Da das Fenster im Obergeschoss lag und die Taube möglicherweise verletzt sein könnte, entschied ich mich den FK in der Küche aufzustellen!

Schon bei meiner Stimme wurde die Täubin munterer und kaum stand der FK, trippelte sie auf dem Fenstersims hin- und her und pickte gegen das Fenster. Einen Dropper in den FK zu setzen hätte sich vermutlich erübrigt. Kaum wurde das Fenster geöffnet, sprang die Taube auf den FK und konnte behändigt werden. In der Hand war schnell klar, dass die Taube nicht ernsthaft verletzt ist. Im rechten Flügel und im Schwanz fehlten paar Federn, was auf einen Luftangriff schliessen liess. Ansonsten zeigte sich die Taube in einer erstaunlich guten Verfassung!

Sie wurde am 16. Januar entdeckt, konnte frühestens seit dem 14. Januar an diesem Ort sein und hat dann auf Anraten des kontaktierten Tierarztes lediglich etwas Reis erhalten. Die Temperaturen lagen seit Tagen im Minus und die ganze Region ist seit mindestens 2 Wochen schneebedeckt. Überhaupt haben die Lehrerinnen vom Schulhaus Matzwil einen grossen Aufwand betrieben mich ausfindig zu machen. Zum einen haben sie die ganze Ringnummer ablesen können, was etwas heisst, wenn man das Tier nicht in die Hand nehmen kann. Zum andern konnten sie den Telefonring auf eine Stelle nicht lesen und haben dann x Anrufe mit verschiedenen Kombinationen getätigt. Dann endlich der Kontakt zur Vogelwarte Sempach und deren Verweis auf’s Internet mit der Site des Zugeflogenendienstes vom Schweizerischen Brieftaubenzüchter-Verband.

Und, was ist das Besondere an dieser Rückführung?

Am Samstag, 2. Dezember 2016 startete ich aus einer Laune heraus vier Wammentäubinnen ab HS. Sonst fliege ich nur ab FK und zu Hause fliegen die Tauben höchstens aufs Dach. Ich war überzeugt, dass die Tiere nicht gross fliegen werden. Doch da habe ich mich geirrt. Die Tauben zogen sofort hoch und strebten weniger bebautes Gebiet an. Wohl in der Meinung, dass der FK irgendwo zu finden ist. Dropper wurden sofort gestartet und auch die Bakiner mussten raus. Zu spät! Die «Funkverbindung» war unterbrochen. Bald darauf sah ich die Tiere stürzen und wusste, dass ich die Tiere jetzt bei meinem Kollegen welcher Mazedonische Drehtauben fliegt, holen konnte. FK und paar Tadschicken einpacken (die Dropper waren alle auf dem Dach) und los. Der Kollege lachte als ich kam und meinte, dass nur drei gelandet sind und er die vierte aus den Augen verloren habe. Mit dem FK und den Tadschicken dauerte es nicht lange, bis die drei Ausreisserinnen im FK waren. Am Abend kam der Kollege noch vorbei um mir zu sagen, dass die vierte Taube bei ihm nicht aufgetaucht sei.

Und jetzt nach sechseinhalb Wochen ist «Paula» (so wurde sie von den Finderinnen getauft) wohl behalten zurück J. Was könnte sie mir erzählen? Ich glaube nicht, dass die Taube so lange Zeit in dieser Jahreszeit herumgestrichen ist. Dazu ist ihre Verfassung viel zu gut. Ich zweifle auch, dass sie diese Distanz einfach so geflogen ist! Aber wo war sie?

Das wird Paula wohl für sich behalten und ich bin um paar Erfahrungen reicher und weiss jetzt wo Matzwil liegt.

Gut Flug wünscht Christian Wingeier